Seefrauengarn vom 5.1.2018

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Jetzt ist es schon fast ein halbes Jahr her, dass ich von Bord gegangen bin.
Es kamen schon viele neue Angebote für andere Schiffe und tolle Touren. Wir haben 2 fantastische  Reisen unternommen, Besuch von Freunden vom Schiff bekommen, Berichte und Fotos von „Schifffreunden“gelesen und gesehen-aber ich bin immer noch an Land. Das Problem ist die Länge der Verträge. 4 Monate, das ist zu lang für Paare. Aber es gibt manchmal auch kurze Übergangsverträge und wenn ich so einen angeboten bekomme, werde ich es wohl noch einmal wagen. Mit Vorwissen aufs Schiff zu gehen, wie sich das wohl anfühlt?!? Von Anfang an ein bisschen mehr Sicherheit, ein bisschen mehr Gelassenheit und die Gewissheit, dass man bald wieder absteigt macht bestimmt alles leichter und entspannter. Mal sehen.

Im Nachhinein kann man sagen, daß das Leben an Bord einfach ganz anders ist als das richtige Leben. Man lebt in einer Blase mit Touristen, die nichts vom Alltag wissen wollen, weil sie Urlaub haben. Man muss sich um nichts kümmern, nicht einkaufen, nicht kochen, nicht putzen, nicht seine sozialen Kotakte pflegen. Alles ist immer da. Die Dinge, die einen am Anfang ärgern, verblassen und werden nebensächlich. Man genießt die Landgänge und ich glaube, daß manche Kollegen die Bodenhaftung verlieren. Die Probleme der restlichen Welt interessieren sie nicht mehr. Sie schauen keine Nachrichten und wissen manchmal nicht mal, wo gerade Krieg oder wo Frieden herrscht.

Die letzten drei Wochen an Bord sind wie im Flug vergangen. Wenn man weiß, daß man zum letzten Mal an den Orten ist, will man alles auf einmal.
Also haben wir (wir, das sind Kollegen, die auch bald das Schiff verlassen und ich)

im Fjord von Kotor eine Glasbodenbootsfahrt unternommen und Cevapcici gegessen,

auf Mykonos ein Auto gemietet, um die ganze Insel abzufahren,

in Piräus gaaaaaanz früh das Schiff verlassen und sind auf den Markt gegangen, um dann mit den ergatterten Delikatessen ein Picknick am Strand zu machen,

in Dubrovnik in Kanus im Pulk mit der Crew die Altstadt umpaddelt,

in Katakolon den ganzen Tag in unserer Lieblingstaverne verbracht

in Korfu nochmal schnell die ganze Stadt durchpflügt und anschließend am Stadtsträndchen gechillt,

in Catania ein letztes Mal DAS sizilianische Restaurant besucht um Spaghetti mit Seeigeln zu essen,

und uns ein ums andere Mal verabschiedet. Von Italien, von Griechenland, von der Türkei, von Kroatien, von Montenegro und von Malta. Hier habe ich jeden Sonntag mit meinen Kollegen vom Schiff und der Landmannschaft aus Malta am Check-in gearbeitet. Hier habe ich auch Rita kennengelernt, die hoffentlich meine Freundin bleibt. Sie hat mich schon in München besucht und sicher werden mein Mann

Der letzte Tag an Bord ist dann irgendwie komisch. Man hat viele Termine, man muss seine Uniform beim Tailor abgeben, seine Zertifikate abholen, seinen Ausweis, den man am Anfang im Crewoffice abgegeben hat, wiederholen, Koffer packen, putzen, das Bett für den Nachfolger in der Kabine herrichten. Und am Abend die Koffer von der Security überprüfen lassen und ab dann nur noch mit Handgepäck die letzte Nacht an Bord anzutreten. Ab 18.00 Uhr kann man auch nicht mehr mit der eigenen Kreditkarte zahlen. Deshalb laden einen die Kollegen auf alle Getränke am letzten Abend ein. Und jeden Samstag Abend verabschieden sich irgendwelche Kollegen, weil alle am Sonntag, dem „Embarcationday“ in Valletta auf- oder absteigen. Jeden Samstag Party und Tränen.  Ich habe ganze drei Stunden Rotz und Wasser geheult, wissend, dass ich so viele von diesen wunderbaren Menschen wahrscheinlich nie wieder sehen werde. Am Sonntag musste ich früh und unausgeschlafen aufstehen, schnell Bett abziehen, Kabinenschlüssel abgeben und frühstücken gehen. Ein letzter Blick vom Crewdeck, einmal noch über den „Highway“ schlendern. Sich nochmal verabschieden.
Dann geht man zur Gangway und dort warten der Käptn, der Crewadministrator , die Security und das Gepäck. Erstere um sich zu bedanken und sich auch nochmal zu verabschieden, letzteres um in Empfang genommen zu werden.
Gott sei Dank geht man nicht allein. Immer gehen mehrere Crewmitglieder gleichzeitig.
Mit einem Bus wird man direkt vom Schiff zum Flughafen gefahren, denn erst, wenn man zuhause angekommen ist, ist man aus der Verantwortlichkeit der „Firma“ entlassen. Da soll keiner mehr irgendwo unbeaufsichtigt rumlaufen.
Zuhause haben mein Mann und meine Töchter eine Überraschungswillkommensparty organisiert um den Übergang in das Landleben so einfach wie möglich zu machen. Das war wunderbar.
Wieder ganz selbstbestimmt den Alltag zu verbringen ist auch wunderbar. Ein Geschenk, dass man vielleicht manchmal zu selbstverständlich hinnimmt.
Nachdem sich das ganze Erlebnis Schiff langsam gesetzt hat, sehe ich auch noch etwas anderes, sehr Positives: Durch die Malkurse habe ich gelernt, dass ich was kann. Ich hatte eine gute Ausbildung, habe viel dazugelernt und kann das auch an andere Menschen weitergeben. Es macht mir Spass, Menschen zu begeistern, sie zu motivieren. Die Freude an Farben, am Beobachten und Malen weiterzugeben.

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